SV Tanuki

Sailing into the Blue

Der Tuamotu-Archipel

Im Gebiet des südlichen Pazifiks sind die meisten Inseln mehr oder weniger Atolle. Die größte Konzentration von Atollen gibt es in den Tuamotus, einem Gebiet von ca. 2 Millionen km² südwestlich der Marquesas mit 78 Atollen von denen 45 Atolle mit ca. 17000 Menschen bewohnt sind. Der Tuamotu Archipel ist weltweit die größte Inselgruppe. Der Name der Tuamotus kommt von dem Begriff Motu, das polynesische Wort für Insel [1, 2].

Nach einer Theorie von Charles Darwin entsteht ein Atoll aus einem den Meeresspiegel durchbrechenden Vulkankegel, der unter der Wasseroberfläche eine zirkuläre Riffstruktur aus Korallen entwickelt (Saumriff). Der Vulkankegel erodiert oder sinkt im Laufe der Zeit unter den Meeresspiegel ab während das Korallenriff nach oben wächst und eine kreisförmige oder ovale Struktur von kleinen Inseln und Riffen bildet [1].  Im Inneren des Atolls findet man zumeist relativ flaches Wasser mit Korallenriffen und kleinen Korallenpilzen (sog. Bommies), welches auch den Gezeiten ausgesetzt ist. Es kommt so zu regelmäßigen umfangreichen Zu- und Abflüssen von Wassermassen, welche sich im Laufe der Zeit Öffnungen im Außenriff bahnen. Diese teilweise engen Pässe sind die einzigen Zufahrten ins Innere des Atolls, oft nicht einmal schiffbar und in der Seefahrt berüchtigt für ihre schwierige Navigation, entstehen dort doch starke Strömungen bis weit über 10 kt, Verwirbelungszonen und chaotische Wellen. Ziel der Schiffe ist also zu einer Zeit durch den Pass (sofern schiffbar) zu gehen, in welcher die Strömung kippt und idealerweise minimal ist (Slackwater). Navigatorisch gab es früher also mehrere Probleme. Erstens, das Atoll finden, ist es doch sehr flach und nicht von Weitem sichtbar, sowie zu vermeiden durch ungenaue Navigation auf das Saumriff zu laufen.  Zweitens muss man den Pass genau am Zeitpunkt des Strömungsminimums (an Hochwasser oder Ebbe) treffen. Beide Aufgaben erforderten hohe navigatorische Meisterschaft. Heutzutage ersetzen GPS und elektronische Plotter die präzise Astronavigation und Computerprogramme die Tidenberechnung. Im inneren der Motus kommt dann allerdings immer noch die Vermeidung von größeren oder kleineren (Bommies) Riffen, die zumeist nicht in der Seekarte eingezeichnet und auch nicht mit Seezeichen markiert sind. Der Ausflug in die Motus ist also auch heute noch eine respektable Aufgabe und schwieriger als die normale Feld-, Wald- und Wiesennavigation. Wer als Skipper nicht mit dem nötigen Respekt an diese Aufgabe herangeht kann leicht in gefährliche Situationen geraten.

Wir fahren also auf den Tuamotus los, die Windsituation ist nicht ideal, Windstärken zwischen 5 und 14 kt machen die Vorwindsituation ungemütlich. Trotz wenig Wind gibt es Seegang von etwa 1,5m und das Boot wird durch den Seegang durchgeschüttelt, ausser es fährt die geeignete Geschwindigkeit die der Wellensituation angepasst ist. Das heisst dann noch mehr als sonst die Besegelung anpassen und trimmen und ggf, sogar mal den Motor anwerfen um die killenden Segel zu unterstützen. Böen durch gelegentliche Squalls kommen innerhalb von Sekunden und können die Windgeschwindigkeit hochtreiben und sofortiges Reffen notwendig machen.

Wir fahren los bei guter Windsituation und hoffen auf 3-4 Tage Überfahrt. Da unser Internet immer noch nicht funktioniert, haben wir am Vortag bei Tango etwas von ihrem Starlink geschnorrt um zusätzliche Informationen für unser Ziel Kauehi zu sammeln. Das Wetter soll entsprechend unserer Daten via Iridium günstig sein. Wir machen auch gute Fahrt mit einem Etmal von 110 sm am ersten Tag. Ein richtig dicker Fisch beisst in unseren Plastikköder und biegt unsere Angel heftigst durch. Nach 5 min. Drill reisst jedoch die auf 35 kg zertifizierte Angelleine durch. Fisch und Köder weg. Unterwegs segeln wir an einem prominenten Boot vorbei. SV Delos (mittlerweile eine Amel) ist wohl die bekannteste YouTube-Yacht der Welt [2].

Am Tag drei sind wir in der Nacht gerade beim ausreffen, als uns eine Bö trifft und mit einem Knall das Großsegel flattert. Klingt nach einem gerissenen Outhaul (die Leine, die das Großsegel horizontal strammzieht – hatten wir erst auf dem Programm), aber nachdem wir das Segel notfallmäßig eingerollt hatten sehen wir die Bescherung: Die Rolle am hinteren Segelende (Clew) ist ausgerissen und es gibt keine Chance mehr ein Outhaul anzubringen. Wir werfen den Motor an und motorsegeln mit Vorsegel weiter durch die Nacht. Am Morgen, bei Tageslicht  erfolgt eine weitere Schadensbegutachtung und dann eine Diskussion der Lage. Ist nicht weiter schlimm, wir haben noch einen fast vollen Tank und nur noch weniger als 2 Tage zu fahren, also wollen wir motoren. Selbst wenn wir an unserem Ziel keinen Diesel bekommen könnten wir wahrscheinlich Tahiti ohne Probleme anfahren. Theoretisch könnten wir die Rolle mit Material von unseren Lifelines von Hand provisorisch nähen. Das wäre die Lösung für eine längere Überfahrt ohne Chance zu motoren. Haben wir jedoch für unsere aktuelle Situation verworfen.

Tag 4, der Wind kommt konstant aus OSO, wir haben ein gutes Etmal von 135 sm gemacht und die Windgeschwindigkeit nimmt zu. Die Nacht ist unruhig, Wind um 20 kt und Wellen mit 2m Höhe. Wir stellen die Uhren auf neue Ortszeit und sehen Land gegen Mittag. Unser Computerprogramm (Tuamotus Current Guestimator von Gram Schweikert) sagt Slackwater um 16 Uhr voraus, also lassen wir unseren Motor etwas schneller drehen, da wir noch um das ganze Atoll herumfahren müssen um den südlich gelegenen Pass zu erreichen. Nichtsdestotrotz, das Motu Kauehi ist in Sachen Navigation eines der leichtesten und wird häufig von Seglern als erstes Übungsobjekt angefahren. Wir erreichen den Pass eine Viertelstunde vor Slackwater und haben ca. 2 kt gegen uns als wir durch den Pass gehen. Die Wellen im Pass sind etwas kabbelig, aber wir fahren ohne Probleme durch. Die frühe Passage haben wir deshalb gewählt, weil wir noch bei Tageslicht Anker werfen wollen. Die Durchfahrt durch das Atoll von Süden nach Norden dauert etwas mehr als eine Stunde und ist in der Karte gut eingezeichnet. Wir achten trotzdem auf Wassertiefe und mögliche Korallenriffe, kommen aber zügig an der Ankerbucht vor Tearavero an. Hier sind für Yachten einige kostenlose Mooring-Bojen ausgelegt. Ein Nachbar hilft uns beim Festmachen und teilt uns mit, dass er seine Boje abgetaucht hat und für in Ordnung befunden hatte. Wir sind endlich da und genießen unser Bojenbier.

Am nächsten Tag gehen wir mit dem Dinghy an Land. Nix los. Keine Kneipe, kein Restaurant, das Magasin ist zu und ansonsten tote Hose. Wir freuen uns aber über unseren Platz an der Boje, die Babyhaie die uns gelegentlich besuchen kommen und das nahegelegene Riff das zum Schnorcheln einlädt. Die Skipperin taucht unsere Boje ab und ist zufrieden. Wir haben Drinks mit der Crew von Paikea (Buckelwal auf Maori), einer Neuseeländischen Yacht, die uns beim Festmachen geholfen hatte. Die Gerüchte sagen, dass es auf Fakarava, unserem nächsten Ziel Diesel und sogar einen Segelmacher geben soll. Aber erst mal genießen wir unseren Urlaub.

Ablegen ist zwei Tage später. Wir haben das morgendliche Slackwater um 8:30 gewählt und fahren eine Stunde früher um 7:30 los. Die Leinen an der Boje hatten wir bereits am Vortag auf Slip gelegt und kommen ohne Probleme frei von der Boje. Die Durchfahrt durch den Pass ist diesmal völlig unkritisch da wir pünktlich durchkommen. Bis Fakarava sind es 45 sm, wir kommen problemlos durch den Nordpass (die Slackwater-Zeit hat perfekt gepasst) und erreichen die Ortschaft Rotoava gegen 16 Uhr. Kein Platz ist frei und Boote liegen vor Anker und vor Boje durcheinander und produzieren so einen wilden Mix aus Schwingradien. Wir gehen frustriert ans südliche Ende des Ankerfeldes und werfen Anker auf 12m. Ankerbier! Runter mit dem Dinghy und an Land um ein nettes Lunch einzunehmen. Die Pizzeria ist geschlossen, wir besuchen also das Seglerrestaurant Hirinaki-Lounge und essen eine Portion Fisch zu den Klängen eines polynesischen Gesangsduos.

Am nächsten Tag besuchen wir den Yachtservice, betrieben von Stephanie und Aldric. Aldric der einfache Segelreparaturen durchführt, schaut auf unsere Bilder und teilt uns mit, dass seine Nähmaschine nur maximal 8mm Stichtiefe hat. Unsere Haltebänder haben doppelt gelegt und mit Segel eine Dicke von 16mm. Wir müssen für die Reparatur also nach Papeete und nach Aldrics Informationen dauert dort die Reparatur nicht unter 2 Wochen. Das setzt uns unter Termindruck, kommt doch Besuch von Max in etwa zwei Wochen nach Papeete. Kriegsrat! Wir entschließen uns aufzutanken und baldmöglichst weiterzufahren. Schnell noch etwas eingekauft in den beiden gut gefüllten Magasins und ein Abendessen in einem lokalen Restaurant mit Tanzfläche und guten Freunden eingenommen.

Zur Tanksituation: Mit einem vollen Tank kommen wir leicht nach Papeete. Die Tankstelle kann angefahren werden, ist aber sehr flach. Wir trauen uns diesen Stunt nicht zu und tanken mit Kanistern und Dinghy. Erste Tour 100l in 5 Kanistern. Der Skipper macht die übliche Schlauchinfusion. Zweit Tour. Es ist 16:50 aber die Bedienung der Tankstelle teilt uns mit, dass schon geschlossen ist. Keine Überredungsversuche helfen, wir sollen wiederkommen am Montagmorgen. Machen wir auch. Schlag 7:30 kommen wir an und haben gerade den ersten Kanister voll, als die Pumpe aussetzt. Der nette Tankwart hebt die Schultern und sagt dass die Tankstelle leer ist. Wir haben die Tankstelle leergetankt! Neuen Sprit gibt es erst am Donnerstag…..

Nochmal Kriegsrat! Wir beschließen, dass wir genug Diesel bis Papeete haben und machen uns abfahrbereit. Der Anker kommt hoch um 9:30 Uhr, das passt gut mit der Slackwaterzeit am Nordpass. Kein Wind. Wir gehen problemlos durch den Pass und nehmen Kurs auf Tahiti.

Literatur

1  https://de.wikipedia.org/wiki/Atoll

2  https://de.wikipedia.org/wiki/Tuamotu-Archipel

3  https://svdelos.com/

Ein Kommentar

  1. Wie aufregend – Ihr seid Weltmeister😘