Sonntagmorgen, wir laufen aus. Aufgestanden um 6 Uhr, gemütliches Frühstück bis 7 Uhr und dann gehen wir die Checkliste zum Aufbruch durch. Die Fahrtzeit soll etwas mehr als 24 Stunden betragen, es wird also ein „Overnighter“. Der Wetterbericht zeigt eine Sturmfront am Montagnachmittag über Gibraltar an, ansonsten aber Gegenwind in akzeptabler Stärke. Sollte also kein Problem sein, rechtzeitig nach Gibraltar zu kommen. Wir werden aber motoren müssen. Das Boot hatten wir schon am Vorabend klariert, also werfen wir den Motor an zum Warmlaufen. John, unser Nachbarlieger besucht uns um Lebewohl zu sagen und dann ziehen wir unsere Leinen rein um abzulegen. Kurzer Funkkontakt mit dem Hafenmeister um uns abzumelden und dann geht es raus. Wellengang hinter der Hafenmole ist heftig, 1-1.5 m, aber nach einer Viertelstunde reduziert sich das wieder, wohl weil wir mittlerweile im tieferen Wasser angekommen sind. Es geht nach Westen. Wir motorsegeln im Halbwind und machen gute Geschwindigkeit zwischen 6 und 7 kt, der neue Turbolader gibt neben einem satten Sound auch gute Leistung, wir sind froh und denken voll Dank an unseren kompetenten Mechaniker. Es ist aber kühl, warme Kleidung ist angesagt. Segel raus, Segel wieder rein, Segel auf die andere Seite, so verbringen wir den Tag und kommen gut voran. Zum Mittagessen gibt es Curry vom Vorabend.
Gegen Abend stabilisiert sich der Wind und frischt auf. Wie wir es schon gewohnt sind geht der Wind auf unsere Nase und verlangsamt unsere Geschwindigkeit auf 4-5 kt. Abendessen mit trocken Brot und Hummus. Der Wind frischt weiter auf und zwischen Motril und Malaga gibt es Böen bis 35 kt, auf der Beaufort Skala ist das eine knackige Windstärke 8 gegen uns. Mit Volldampf machen wir nur noch ca. 2 kt Fahrt und schnecken uns auf die Länge von Malaga zu. Bei der Geschwindigkeit dauert es halt. Wir beobachten auf dem AIS die zwei anderen Boote, die noch mit uns unterwegs sind und suchen Bereiche mit etwas weniger Wind. Gegen 5 Uhr erreichen wir die Breite von Fuengirola. Ab da reduziert sich die Windstärke und wir laufen wieder mit ca. 5 kt weiter. Mittlerweile hat sich unsere Wasserpumpe verabschiedet, die dafür sorgt, dass Frischwasser aus dem Tank in unsere Wasserhähne läuft. Nix mit Kochen oder Spülen. Ist zwar leicht zu reparieren, aber nicht bei Schietwetter. Na ja, wenn es wackelt muss man ja nicht unbedingt Geschirr spülen oder Duschen.
Kurze Berechnung durch den Skipper, wir hätten die Chance Gibraltar um ca. Mittag zu erreichen, aber nach Wetterbericht und Windkarte fängt nur knapp später das Schietwetter bei Gibraltar an. Guter Rat ist teuer, wollen wir das Risiko eingehen – natürlich nicht. Wir suchen uns einen erreichbaren Hafen. Unsere Wahl fällt auf Estepona, eine sichere Marina mit genügend Wassertiefe direkt auf unser Kurslinie. Da es immer noch sehr früh ist, schicken wir der Marina eine E-Mail, sehen aber auch erfreut, dass es in Estepona einen Gastliegeplatz gibt. Also motoren wir einfach weiter. Gegen halb 9 kommen wir in die Nähe, grüßen ein Boot der Wasserpolizei, welches uns neugierig beäugt und rufen in der Marina an: Zu früh – das Büro ist erst ab 9 Uhr besetzt (na klar!). Wir fahren bei 28 kt Wind einfach in den Hafen rein, drehen ein paar Runden und legen dann am Gastliegeplatz an. Geschafft!
Mittlerweile ist das Büro auf und der Skipper macht den Papierkram. Wir werden Tanuki umlegen müssen aber wir haben verhandelt, dass wir erst mal einen Tag vor Kopf liegenbleiben können. Der Gastanlieger ist eigentlich nur zur Anmeldung gedacht, aber wegen dem immerhin noch 20 kt Wind im Hafen ist man mal nicht so pingelig. Der Wetterbericht sagt auch für den nächsten Tag Schlechtwetter voraus und wir planen unsere Weiterfahrt für Mittwoch.
Die Skipperin liegt schon im Bett, der Skipper montiert noch schnell die Reserve-Wasserpumpe (45 min., es hat halt länger gedauert, das Ding aus den untersten Sedimenten unserer Kompartimente auszugraben). Ein Hoch auf das einfache Clipsystem des Herstellers für die Wasserschläuche. Kurzer Test: funktioniert besser als vorher! Kein Schlaf in Sicht. Gegen 12 Uhr verhandeln wir mit der Marina wegen der Liegegebühr. Die mittlerweile wieder wache Skipperin übernimmt. Wir müssen zwar für den bequemen und breiten Liegeplatz 70 Euro bezahlen, dafür bekommen wir aber den Anmeldeplatz für 20 Euro, im Mittelwert zwar immer noch teuer für Südspanien und Nebensaison, aber nicht auf italienischem oder Kroatischem Niveau und für uns akzeptabel. Es folgt ein Spaziergang zum Discounter, die Skipperin hat Lust auf Blumenkohl mit Schnitzeln und weisser Sauce. Pünktlich zum Sturmbeginn sind wir wieder zurück auf Tanuki und es gibt eine Mütze voll Schlaf.
Nächster Tag, wir verholen Tanuki an den neuen Liegeplatz. Leider ist Tanuki hinsichtlich Diesel ziemlich trocken, da wir beim letzten Streckenabschnitt viel motoren mussten und bereits vorher wenig im Tank hatten. Jetzt stellen wir fest, dass die Tankstelle in Estepona nur Fischerboote bedient, der Diesel ist hier steuerfrei und darf nicht an Privatpersonen ausgegeben werden. Kein Problem, die nächste Autotankstelle ist nur ca. 1 km weg, wir besuchen sie zweimal und transportieren jedes Mal einen 20l Kanister zum Boot. Genug um die Tankstelle in Gibraltar zu erreichen, falls wir nicht segeln können. Es sieht aber aus, als könnten wir bei beständigem NW Wind zumindest die meiste Strecke nach Süden unter Segeln fahren. Leider wehen immer noch heftige Böen, aber am Donnerstag soll es besser sein, wir kalkulieren also mit einer Abfahrt Donnerstagmorgen. Abendessen beim Italiener, wo wir die schnellsten und kompetentesten Servicekräfte im Mittelmeer bewundern konnten. Hat auch lecker geschmeckt!
Mittwoch, endlich mal ausschlafen. Wir bezahlen unsere Rechnung in der Marina, sind erfreut, dass sich der Preis auf 55 Euro reduziert hat (wohl wegen der Beschwerde durch die Skipperin) und spazieren durch die Altstadt. Die Skipperin fährt danach auf dem Scooter nochmal zum Discounter. Es gibt keine Dosenbohnen für das geplante Chilli con Carne, wir weichen also Trockenbohnen auf. Ich lerne, dass das Äquivalent einer 300g Dose etwa 80 g Trockenbohnen sind. Toll! Sabine kocht also für die Überfahrt nach den Kanaren Chilli con Carne im Dampfdrucktopf auf unserer Induktionsplatte. Enorm energiesparend!
Gibraltar
Donnerstag, gutes Wetter ist endlich da. Wir legen ab um 7.45 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang. Kein Wind. Unser Nachbar steht extra auf um Tschüss zu sagen (komisch – wir haben immer sehr nette Nachbarlieger), ein Marinero kommt noch vorbei um den Stromadapter abzuholen und uns die Kaution von sagenhaften 90 Euro zurückzuerstatten. Leinen los, wir fahren ab. Zunächst mit Motor, dann nach Sonnenaufgang unter Segel. Traumhaftes Segeln im Halbwind, die Brise frischt auf bis zu 14 kt und wir machen 6-7 kt Fahrt. Drei Stunden später sind wir schon auf Höhe des Felsens von Gibraltar und fahren durch die Frachter, die dort vor Anker liegen. Gewarnt wurden wir vor dem Punta Europa, dem südlichsten Punkt von Gibraltar. Wegen böser Fallwinde und heftigem Seegang sollten wir das in respektabler Entfernung umfahren. Tun wir mit viel Respekt. Die Umfahrung bringt unseren Bug durch den Wind und wir nutzen das um die Segel zu streichen. Durch viel Verkehr und zwischen Ankerliegern fahren wir in die Bucht ein. Unsere Marina (Marina Alcaidesa) liegt etwas oberhalb der Startbahn des Flughafens von Gibraltar. Wir melden uns über Funk, werden angewiesen kurz am Hafenbüro anzulegen und fahren nach dem Ausfüllen der Formalitäten direkt in unsere Box. Man legt hier am Steg mit Fingern an. Nach einem erfolglosen Anfahrtsversuch mit querstehendem Boot bei 16 kt Querwind (Hafenkino – wie peinlich) machen wir einen neuen Anlauf und dank zweier freundlicher Marineros sind wir mit etwas Muskelkraft an den Leinen endlich drin. Die Mischung aus Erschöpfung und Adrenalin ist aufreibend. Zudem ist die Bordwand ca. 1.60m über dem Stegfinger und wir kommen da nicht ohne Hilfsmittel rauf oder runter. Ein quer aufgehängter Fender dient uns schließlich als Treppenstufe. Geht doch !
Das Adrenalin ist schnell wieder weg, gegen Müdigkeit hilft ein schnelles Mittagessen und so wieder fit beschließen wir am Nachmittag einmal Gibraltar zu besuchen. Unsere Marina liegt auf Spanischem Gebiet (La Linea), wir laufen also 10 Min. zur Grenze, reisen aus der EU (Schengen) aus und in Great Britain ein. Ein freundlicher Grenzer drückt uns Stempel in unsere Pässe und wir sind schließlich im Mehrwertsteuer Paradies (na ja, Gibraltar hat keine). Alkohol und Diesel sind hier steuerbefreit. Lustig ist auch, dass wir vor Erreichen des Stadtkerns die Startbahn des Flughafens überqueren müssen – wo sonst hat man dazu Gelegenheit.
Besuch bei der Tankstelle. Die sieht gut aus, hat Platz für 2-3 Boote und verkauft auch Alkohol, dann Shopping im Kaufhaus Morrisons um Currypasten und Vegemite zu kaufen. Hier gibt es vornehmlich Waren aus dem Commonwealth, unter anderem viele Produkte die wir aus Australien bereits kennen. Danach ist Lustwandeln durch die Hauptstrasse (main road) angesagt. Müde geworden nehmen wir den Bus bis zur Grenze, laufen die 10 min. bis zurück in die Marina und weil wir hungrig sind, essen wir die Hälfte unseres Chilli con Carne auf – mit frischem Brot aus Gibraltar.
Mittlerweile ist unser Wetterfenster für die Kanaren zugegangen, es gibt Sturm auf Breite von Essaouira am Montag und Dienstag. Wir entscheiden uns schweren Herzens, nicht am nächsten Tag loszusegeln, sondern noch mindestens ein bis zwei Tage abzuwarten. Mir kommt der Begriff „Schönwettersegler“ in den Sinn, aber ohne schlechtes Gewissen. Wenn man mal auf See von schlechtem Wetter erwischt wird, muss man es nehmen wie es kommt. Wir denken aber, es ist unverantwortlich, in vorhergesagtes Schlechtwetter hineinzufahren.
Jetzt müssen wir erst mal eine Runde abwarten. Mal sehen wie es weitergeht. Wir berichten.
28/11/2022 um 16:44
Ich liebe deine Art der Berichterstattung!
02/12/2022 um 21:21
Und ich liebe die Art Deines Lobs!
Viele Grüße jetzt aus Lanzarote (Heute angekommen),
-Richard & Sabine