Die Strecke Aruba nach Kolumbien ist eine notorische Schlechtwetterecke, insbesondere der nördlichste Zipfels der Guajira Halbinsel, das Punta Gallinas. Auch das etwas weiter südwestlich gelegene Cabo de la Vela hat es in sich. Über fast einen Monat haben wir hier Tiefdruckgebiete mit mehr als 40 kt Windgeschwindigkeit beobachtet. Es wird unter Seglern berichtet, dass diese Ecke einen hohen Platz auf den 100 gefährlichsten Strecken der Welt einnimmt [1]. Kurz vor unserem Ziel, dem Hafen von Santa Marta liegt ebenfalls ein Kap (Cabo de la Aguja) welches ebenfalls notorisches Schlechtwetter hat. Zu der hohen Windgeschwindigkeit und den verbundenen heftigen Böen kommen noch Fallwinde aus dem Gebirge und starke Strömungen in Landnähe, selbst Piraten sollen auf der Venezuelanischen Seite ihr Unwesen treiben [1]. Wir sind also gewarnt. Ein lokaler Segler in Curacao hat uns allerdings berichtet, dass das Wetter Anfang März günstig sein soll. Mal sehen.
Es kommt wie angekündigt, Ende Februar zeigt sich für uns ein ideales Wetterfenster für die Strecke Aruba nach Santa Marta. Also geht es los, wir rechnen mit ca. 2 Tagen für die 280 Seemeilen. Wir umfahren die vor der Küste Venezuelas liegenden Inselchen „Los Monjes“ und biegen nach port (links) ab um Punta Gallinas mit respektvollem Abstand zu umfahren. Die Windrichtung stimmt, wir liegen auf sicherem Vorwindkurs und machen 7-8 kt. Nach fast genau 24 Stunden (seit Abfahrt) umfahren wir das Cabo de la Vela ohne Probleme. Der Wind legt sich von ca. 24 kt auf 14-17 kt und wir fahren eine Zeit lang unter Vollbesegelung, vorbei an zwei Bohrtürmen. Langsam sehen wir die Berge, die als das höchste Küstengebirge der Welt klassifiziert werden, der höchste Gipfel ist der Pico Columbus mit 5775m, nur knapp 50 km im Inland. Wir erreichen das Cabo de Aguja am Morgen des zweiten Tages und werden mit bis zu 40 kt Wind und heftigen Wellen begrüßt. Zu unserer Erleichterung dauert das Rodeo nur etwa 2 Stunden, dann sind wir um das Kap und können in die Bucht von Santa Marta mit moderateren Bedingungen einlaufen.
Was für ein Schlamassel! Die World-ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) ist mit mehr als 25 Booten in der Marina und alle Plätze sind belegt. Wir hatten zwar bereits vor 3 Tagen mehrere E-Mails mit einer Reservierungsanfrage losgeschickt, die aber alle nicht beantwortet wurden und während der Überfahrt bekommen wir halt keine Mail. Nach einiger Funkkommunikation mit der Marina verspricht man uns einen Platz für den nächsten Tag, sobald die ARC aufgebrochen ist. Unserer Bitte uns über den Agenten der Marina einzuklarieren wurde aber nicht entsprochen, man gibt uns eine Adresse eines lokalen Agenten, der das für ein bisschen mehr Geld gerne tun würde (350$ statt 60$ in der Marina). Hierzu muss man wissen, dass in Kolumbien ein Agent zum Einklarieren vorgeschrieben ist. Mittlerweile ist es später Nachmittag und na ja – welcher Agent arbeitet denn noch so spät, besonders in einem hispanisch geprägten Land? Wir werfen Anker im Hafen, liegen bequem mit drei anderen Booten die auch ARC geschädigt sind und lassen einfach unsere gelbe Fahne oben. Nix passiert.
Nächster Morgen. Die ARC-Boote gehen am späten Vormittag raus, manche einfach so, der größte Teil legt aber einen regattamäßigen Start vor, mit allem Drum und Dran, inclusive Startlinientaktik. Wir wundern uns. Danach müssen die Marina-Angestellten erst einmal erschöpft Mittagspause machen. Wir werden ca. ab 15 Uhr nacheinander in die Marina gebeten, es herrscht starker Seitenwind in der Gasse, praktisch kein Boot schafft es mit dem ersten Anlauf in den Slip. Wir auch nicht, wir müssen ein zweites Mal anfahren, nachdem wir beim ersten Mal durch den Wind vertrieben wurden. Keine Panik, beim zweiten Mal haben wir ein Gefühl für das Problem, es klappt alles und wir sind drin. Anlegerschluck und ab zum Marinabüro um den Papierkram zu erledigen. Für 60$ nimmt man unsere Pässe und der Agent der Marina klariert uns ein. Alles wird gut! Mit dem gesparten Geld gehen wir erst mal ins Restaurant und probieren das lokale Chevice (Salat aus rohem eingelegtem Fisch, ursprünglich aus Peru). Es gibt Lokale, die sich hierauf spezialisiert haben (Chevicherias). Schmeckt fantastisch!
Die Marina ist gut geschützt, sauber, sicher und alle Angestellten sind freundlich und hilfsbereit. Santa Marta ist ein touristisch aktiver Urlaubsort, die Polizei ist stark vertreten und zumindest im Stadtkern ist der Ort relativ sicher. Wir kaufen in den lokalen Supermärkten ein, da es hier günstiger sein soll im Vergleich zu Panama. Ein Supermarkt liefert sogar an, nachdem wir etwa 45 Minuten mit freundlich bemühten Angestellten verhandelt haben und diese in alle Welt telefonieren mussten, um ein OK für die Lieferung über 2 km von zwei vollen Einkaufswagen zu bekommen. Hat schließlich gut funktioniert und uns einen Tag Mietwagen erspart.
Zusammen mit einer anderen Crew von einem deutschen Boot (NaKita) machen wir Pläne. Unser initialer Plan für das Einklarieren in Panama und den Kanaltransit ohne Agenten hat keinen Bestand und scheitert an harten Realitäten. Wir beschließen, also wie viele andere Boote, direkt nach Colon zu segeln und dort erst mal den Papierkram mit einem Agenten zu machen, bevor wir uns eine Urlaubswoche in den San Blas Inseln gönnen. Eine junge Frau von NaKika hat dort schon lokale Erfahrungen als Crew auf Touristenbooten sammeln können. Wir tauschen Empfehlungen aus, wo man hin sollte und wo man besser nicht hin gehen sollte. Vor einigen Wochen habe ich einen Revierführer für San Blas durch Zufall in einem Geschäft für Bootsbedarf gefunden und sofort zugeschlagen, ist doch das fantastische Buch von Eric Bauhaus auch in der neuesten Auflage nicht überall zu finden [2].
Die Wettersituation wird ständig besser, derzeit zeigt unser Wetterprogramm den günstigsten Abreisetag für Mittwoch an. Haben wir also bereits eingebucht. Santa Marta ist eine typisch Mittelamerikanische Stadt, überall hört man Salsa und Cumbia Musik und noch mindestens 10 weitere Musikstile. Die Restaurants sind preiswert und die Menschen locker. Selbst mit unserem rudimentären Spanisch kommen wir weiter und erhalten stets ein Lächeln für unsere Kommunikationsversuche mit Handy und Füssi…..
1 https://www.noforeignland.com/place/6311129460506624
2 Bauhaus, Eric. The Panama Cruising Guide (5th edtn.), Selbstverlag (2015).