SV Tanuki

Sailing into the Blue

Die Straße von Gibraltar

Sonntag ist es endlich soweit, wir haben nicht nur gutes Wetter in Gibraltar, sondern auch ein gutes Wetterfenster für die Strecke hin zu den Kanarischen Inseln. Wir nehmen ein spätes Frühstück, der Skipper geht zum Marinabüro zum Auschecken und wir motoren etwas später bei strahlendem Sonnenschein aus der Marina Alcaidesa heraus.

1. Tanken in Gibraltar

Jetzt geht es erst mal zur Tankstelle. In Gibraltar ist der Diesel spottbillig, da es keine Steuern zu zahlen gibt. Wir fahren also um die Landebahn herum auf britisches Gebiet und besuchen die Tankstelle der Firma Cepsa. Hierfür müssen wir uns noch nicht mal anmelden, da die Gibraltinische (?) Regierung eine Stippvisite zur Tankstelle stillschweigend toleriert. Wir legen im sehr engen Hafenbecken mit perfektem Manöver, unter Respektsbezeugungen der freundlichen Tankstellenhelfer, aus einer 180 Grad Drehung heraus an und füllen den fast leeren Tank und alle unser Reservekanister mit billigem Diesel, der Skipper kauft mit den letzten GBP noch eine Flasche Rum für die Mannschaft und den Tee (“to bring us sugar and tea and rum” [1]) und dann heisst es wieder ablegen und mit kleiner Fahrt raus aus dem Britischen Bereich.

2. Die Straße von Gibraltar, das Tor zum Atlantik

Urprünglich hatten wir vor, gegen 16.30 Uhr zu starten, da um 17.30 Hochwasser in der Straße von Gibraltar herrscht. Die Straße ist berühmt für ihre starken Strömungen, es gibt hier eine heftige Tiefenströmung vom Atlantik zum Mittelmeer und Oberflächenströmungen je nach Tide und Windrichtung [2]. Normalerweise empfehlen die meisten Segler, etwa eine Stunde vor Hochwasser in der Bucht von Gibraltar loszufahren, da die Strömung ansonsten mit bis zu 3 kt von West nach Ost steht und ggf. noch ein unangenehmer Wind ebenfalls von West nach Ost blasen kann. Diese Windsituation hatten wir während der letzten Woche mit Windgeschwindigkeiten weit über 35 kt hinaus (Windstärken 6-8 nach Beaufort). Ein solcher Wind hin zum Mittelmeer wird als „Poniente“ bezeichnet. Bläst der Wind in die andere Richtung, heißt er „Levante“. Im Zentrum der Straße kann der Wind durch einen Düseneffekt noch viel stärker sein. Hinzu kommt noch, dass die Straße als VTG (Verkehrs-Trennungs-Gebiet oder auf Englisch TSS Traffic Separation Scheme) ausgelegt ist, es gibt also wie auf einer Autobahn festgelegte Fahrspuren in denen sich täglich hunderte Großschiffe bewegen. Kein einfacher Ort für Segler.

Wir haben Glück. Heute ist Levante-Lage mit wenig Wind und wir beschließen, die Tidensituation im Blick zu behalten, aber früher loszufahren ohne die Regel 1h vor HW zu beachten. Wir fahren also aus der Bucht heraus mit Motor und um die Kurve, dann am Rande des VTG entlang. Als kleines Segelboot müssen wir uns hier nicht beim Verkehrszentrum anmelden, sondern können schlicht am äußersten Rand des VTG (eigentlich in der Küsten-Verkehrszone) entlangfahren. Wir haben Glück, mit Wind hinter uns und maximal 1 kt Strömung gegenan fahren wir wie geschmiert durch die Strasse, kommen an Kap Tarifa vorbei und fahren weiter nach Westen bis zum Ende des VTG. Erst dort kreuzen wir die Fahrrinnen, jonglieren mit unserer Geschwindigkeit durch die Lücken der sehr schnell fahrenden Schiffsgiganten (wir 6 kt – die 12-16 kt) und haben es schließlich geschafft, wir umrunden das Kap Espartel (die Nordwestliche Ecke von Marokko). Hier setzen wir Segel und fahren die Marokkanische Küste nach Südwest entlang.

3. Gefahr durch Orcas

Zwischendurch denken wir noch einmal mit etwas mulmigem Gefühl an die Herde Orcas, die an der Südwest-Ecke von Portugal die Kleinschiffahrt belästigt indem sie in die Ruderblätter von Segelbooten beissen und teilweise bedeutende Schäden bis hin zur Manövrierunfähigkeit anrichten. Das Revier dieser Herde reicht bis zur Straße von Gibraltar, so dass wir ein (wenn auch geringes) Risiko haben, mit diesen Tieren zusammenzutreffen. Neulich wurde eine Yacht so schwer beschädigt, dass sie sank [3]. Wir halten sorgfältig Ausschau (was man beim Durchfahren der Straße sowieso immer tun sollte), sehen aber zum Glück keine Orcas. Abgesehen von dieser Herde sind uns die freundlicheren Meeressäuger aber generell hochwillkommen.

Mittlerweile haben wir 2m Seegang und werden im Zentrum der Strasse etwas durchgeschüttelt. Der Skipper hält durch, die Skipperin nimmt eine Tablette gegen Seekrankheit. Die Situation wird hinter Kap Espartel geringfügig besser. Mehr dazu im nächsten Beitrag.

Literatur

1 https://genius.com/Nathan-evans-wellerman-sea-shanty-lyrics

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fe_von_Gibraltar

3 https://www.yacht.de/special/seenot/wal-attacken-segelyacht-sinkt-nach-orca-angriff-vor-portugal/

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