Die Strecke von Fiji nach Neuseeland ist nicht kurz, aber auch nicht übermäßig lang. Für die 1100 Seemeilen rechnen wir mit 8-10 Tagen. Kein Problem soweit. Das Problem hier ist, dass wir uns jetzt vom bislang bekannten Vorwindsegeln in den Passat-Winden verabschieden müssen und wechselnde Wind- und Wettersituationen vor uns haben. Warum das? Je näher wir Neuseeland kommen, mit einer geografischen Breite von 35°, desto eher begeben wir uns in die Nähe der „roring fourties“, einem Gebiet mit typischen Westwinden und ständig neu nach Osten treibenden Tiefdruckgebieten, die für Regenfronten und Starkwind sorgen. Diese Tiefdruckgebiete wechseln sich typischerweise mit Hochdruckgebieten ab und kommen mehr oder weniger weit nach Norden in die Nähe unserer Fahrstrecke. Im November beginnen die Tiefs dann eher südlich zu bleiben, also peilen die meisten Segler eine Überfahrt für Ende Oktober bis November an. Wir auch.
Es heisst also warten auf die richtige Wettersituation um loszukommen. Zu lange warten sollte man aber nicht, denn im November fängt für Fiji bereits die Cyclone-Saison an. Man hängt also zwischen Scylla und Charybdis und muss mit viel Erfahrung und etwas Glück den richtigen Moment für den Absprung abpassen. Wir beobachten die Wettersituation seit Anfang Oktober täglich und haben zusätzlich zu der Gerüchteküche der anderen Segler in derselben Situation auch einen Fachmann angeheuert. JM, ein ausgewiesener Wetterexperte hilft uns gegen eine nicht unerhebliche Gebühr, den richtigen Moment für die Abreise auszuwählen. Ein alter Spruch unter Seglern sagt ja:
Segler mit Zeit haben nie schlechtes Wetter!
Pünktlich zum Ende Oktober ist es dann soweit. Ein umfangreiches Hochdruckgebiet zwischen Fiji, Noumea und Neuseeland verspricht ruhiges Wetter und wenige Motortage. Überhaupt, die Strecke ist berüchtigt für eine Kombination aus Starkwindtagen und Flaute mit der Notwendigkeit zu motoren. Wir sind zwar ein Segelboot, aber mögen es auch nicht, bei Leichtwind oder Flaute in im Seegang zu dümpeln. Schweren Herzens kaufen wir also noch weitere 5 Kanister um unsere Motorkapazität auf 4-5 Tage aufzurüsten, nur zur Sicherheit. Der Motor wird nochmal geprüft, Kühlwasser nachgefüllt, Öl gecheckt. Der Watermaker bekommt einen umfangreichen Service, Filtertausch und chemische Reinigung der Membrane und unsere Winchen bekommen frisches Fett. Leinen und Wanten werden auf Abnutzung überprüft und alle Blöcke incl. der Rollanlagen werden mit einem Teflonschmiermittel geölt. Proviant wird für Admiral und Skipper sowie zwei Crewmitglieder gebunkert. Petra und Thomas aus Australien besuchen uns als zusätzliche Crew für die Überfahrt und haben bereits ihre ersten Lehrstunden an Bord hinter sich. Es kommt noch die obligatorische Einweisung in Sicherheit an Bord und Verhalten im Notfall (3 Stunden) mit praktischen Übungen an der Rettungsweste. Dann ist es soweit, Tanuki wird ausklariert und der gemischte Chor der Marina bringt uns ein Ständchen und überreicht uns einen Blumenkranz als Abschiedsgeschenk für gutes Glück auf der Reise.
Der 2. November ist der Tag, wir konnten Tango (unsere Amerikanischen Freunde) überzeugen, mit uns zusammen auszulaufen und JM, unser Wettermann ist mit unserer Auswahl des Abreisetags einverstanden.
Los geht es also um die Mittagszeit:
Tag 1 (2. November)
Wegen Windstille fahren wir unter Motor zur Malolo Passage durch das Saumriff von Fiji. Zwischendurch gesellt sich Tango zu uns, die vorher in Port Denerau gelegen haben. Durch die Passage, mehr Seegang, mehr Wind. Gegen Nacht haben wir bereits 20 kt Wind gegen uns. Kein Spass, unsere Crew hat mittlerweile eine leicht grünliche Gesichtsfarbe angenommen – trotz vorheriger Medikation mit Cinnarizin. Macht nix, Skipper und Admiral teilen sich die Nachtwachen.
Tag 2 (3. November)
Wind reduziert, gegen Mittag nur nach 8 kt. Welle ca. 2,5m. Gesichtsfarbe der Crew Lindgrün bis blass. Etmal 125 Seemeilen. Unser Wettermann schickt uns nach Südwesten zum Riff Ceva-i-Ra, danach sollen wir zu Johns Corner weitersegeln. Müssen wegen der Windrichtung auf Kurs SW drehen.
Tag 3 (4. November)
Etmal 110 nm, mittlerweile 16 Motorstunden. Nähern uns Ceva-I-Ra. Wind ca. 15 kt.
Tag 4 (5. November)
Vorbei an Ceva-I-Ra in sicherem Abstand. Crew wieder fit. Wind weiterhin auf die Nase aus Richtung 160°. Etmal 93 nm.
Tag 5 (6. November)
Wind 16 kt aus 125°. Segeln mit 4-5 kt nach 190°. Etmal ca. 90 nm. Crew ist jetzt fähig Wachen zu gehen. Haben unser Wachschema angepasst.
Tag 6 (7. November)
Wind frischt auf, 20-25 kt. Etmal 100 nm. Niemand hat Lust auf regulär gekochtes Essen. Der Hit sind leichte Snacks und Instantnudeln.
Tag 7 (8. November)
Wind jetzt 9 kt. Motorsegeln in Richtung 120°. Etmal 83 nm
Tag 8 (9. November)
Wind dreht nach Ost, 15 kt, wir segeln wieder ohne Motor. Etmal 110 nm. Wind frischt auf, 25 kt, in Böen bis 30 kt. Machen uns langsam Gedanken, dass wir zu weit nach Westen landen und die Nordspitze von NZ verfehlen. Haben unseren Wettermann angeschrieben, der meldet sich nicht, hatte uns vorher gesagt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen!
Tag 9 (10. November)
Immer noch 25 kt aus Osten. Etmal 87 nm. Uhrzeit auf NZ umgestellt. Haben langsam das Gefühl dass wir jetzt Weg nach Osten machen müssen.
Tag 10 (11. November)
Wind runter auf 10-12 kt. Etmal 108 nm. Plötzliche 10 min. Gust (Squall) mit 28 kt und Regen geht durch. Danach wieder 13 kt Wind. Immer noch keine Meldung durch unseren Wettermann. Haben jetzt die Nase voll und treffen selbst die Entscheidung, den Motor anzuwerfen und direkten Kurs auf NZ (Cape Brett) zu nehmen. Der Wetterbericht von Predictwind zeigt eine Leichtwindzone nördlich von NZ an.
Tag 11 (12. November)
Wind 6-7 kt. Motoren weiterhin. Seegang 0.5m. Etmal 125 nm. Haben unsere Kanister in den Tank eingefüllt, der ist jetzt wieder voll bis oben hin und zeigt uns an, dass wir keine Treibstoffprobleme haben werden.
Mittlerweile hat Wettermann uns angemailt und nachgefragt, ob wir seine E-Mail jetzt empfangen können, leider keine fachliche Empfehlung seinerseits.
Tag 12 (13. November)
NZ gesichtet in der Nacht. Radio Whangarei angefunkt um 7:00. Runden Kap Brett gegen 8:30 OZ. Wind von achtern ca. 18 kt, können jedoch kein Segel setzen wegen der Richtung. Motoren mit 6-7 kt. ETMAL 163nm. Gegen 13:30 Delfine gesichtet. Spielen mit Tanuki und begrüßen uns in NZ. Einer springt so hoch, dass er über unseren Anker fliegt und fast die Vorstag trifft. Angelegt in der Marsden Cove Marina gegen 16:30 OZ.
Wir liegen jetzt am sog. Q-Dock, der Zollsteg, den wir nicht verlassen dürfen, bis wir komplett einklariert sind. Der freundliche Mann von Immigration kommt quasi sofort, kurz nach unserem Anlegerbier und braucht knapp 15 min. um uns einzuklarieren, der Beamte von Biosecurity macht allerdings pünktlich Feierabend und lässt uns am Zollsteg liegen. Einerseits unangenehm, andererseits gibt es so eine kostenlose Marinanacht. Na ja, wir verlieren also gleich zwei Tage, denn durch den Termin am nächsten Morgen verpassen wir auch die Tide für die Anfahrt nach Whangarei. Mist.
Nächster Morgen. Wir warten bis ca. 11 Uhr, dann kommt endlich ein Zwei Mann Team und checkt unsere Lebensmittelvorräte. Wir haben fast nix mehr und auch keinen Honig (absolut des Teufels) oder andere Frischwaren. Selbst unseren Staubsaugerbeutel hatten wir bereits in Fiji entsorgt. Nix auszusetzen. Tanuki wird vom Zoll provisorisch geschätzt und es wird bestimmt, wieviel Steuer wir im Falle eines Verkaufs hier zu entrichten hätten. Alles kein Problem. Wir bekommen unsere Papiere für Neuseeland und dürfen in einen regulären Liegeplatz umziehen. Kein Wind, kein Problem – der Skipper ist gut drauf und bugsiert Tanuki gekonnt rückwärts in den Slip. John und Janet von Tango sind schon da und nehmen unsere Leinen entgegen. Zusammen gehen wir nach einem Kurzbesuch im Marinaoffice zuerst mal in die lokalen Geschäfte und staunen nicht schlecht als wir eine Bäckerei und einen gut ausgestatteten Supermarkt finden, in dem es Alles zu kaufen gibt zu akzeptablen Preisen! Halleluja!
Jetzt müssen wir nur noch das NZ Zertifikat für unsere Elektroanlage bekommen. Die nette Dame im Office ruft für uns an und 30 Min. später hat ein Fachelektriker bestätigt, dass wir einen Umschalter Landstrom/Inverter haben und unser Anschlusskabel auf Durchgängigkeit geprüft. 230 Dollar später haben wir das geforderte Dokument und sind damit legal in Neuseeland angekommen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von unserer Crew Petra und Thomas, die die Horrorüberfahrt guter Dinge weggesteckt haben. Wir denken, dass 10 Tage Fahrt gegenan nicht unbedingt unsere Traumüberfahrt war (na ja, die Zweitschlimmste….) aber wir revidieren unsere Meinung innerhalb wenigen Stunden. Freunde aus Fiji teilen uns mit, dass die Boote, die einen oder zwei Tage später aufgebrochen sind alle wegen Schlechtwetter umdrehen mussten. Zudem gab es während unserer Ankunft den ersten Cyclone (Kat. II) über Fiji. So gesehen waren wir froh, dass wir einen passenden Abfahrtstermin genutzt haben und nicht noch länger gewartet haben. Manchmal muss man auch mal eine Entscheidung treffen und durchstehen – sagt die Crew von Tanuki!